Du sollst nicht begehren

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Uns, dem Volk Gottes, wurden die Zehn Gebote als unsere maßgeblichen Lebensregeln gegeben. Die ersten vier Gebote lehren uns, wie wir Gott lieben sollen, und die letzten sechs Gebote lehren uns, wie wir unsere Mitmenschen lieben sollen. Fünf der letzten sechs Gebote beziehen sich hauptsächlich auf physische Handlungen, wenn auch mit einigen geistlichen Zwischentönen. Wenn wir gegen die Mehrzahl dieser Gebote verstoßen, dann kann das für diejenigen, die uns beobachten, offensichtlich sein. Das letzte Gebot ist jedoch rein moralischer oder geistlicher Natur. Wenn wir gegen dieses Gebot verstoßen, kann es sein, dass niemand jemals merkt, dass wir es gebrochen haben – niemand außer Gott natürlich. Es ist ein Gebot zur Beherrschung unserer Gedanken, und zwar noch mehr als unserer Handlungen. Wenn wir es jedoch brechen, dann kann das dazu führen, dass wir auch einige der anderen Gebote brechen.

In 5.Mose 5,21 heißt es: „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus, Acker, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was sein ist.“ Das ist ein sehr einfaches Konzept, aber es kann mitunter sehr schwierig sein, es zu erfüllen. Vor allem, da es ausnahmslos jeden Besitz unseres Nächsten miteinschließt. Und aus Jesu Definition des Nächsten im Gleichnis vom barmherzigen Samariter erkennen wir, dass dies auch Fremde miteinschließt, nicht nur Mitbürger.  

Im Laufe der Geschichte war das Begehren die Ursache für unvorstellbares Leid. Die erste Gelegenheit, in der es um das Begehren geht, finden wir in Jesaja 14,12-15. Es geht um Satan, der eine Position, Macht und Herrlichkeit begehrte, die ihm keineswegs zustand: „Wie bist du vom Himmel gefallen, du schöner Morgenstern! Wie wurdest du zu Boden geschlagen, der du alle Völker niederschlugst! Du aber gedachtest in deinem Herzen: ‚Ich will in den Himmel steigen und meinen Thron über die Sterne Gottes erhöhen, ich will mich setzen auf den Berg der Versammlung im fernsten Norden. Ich will auffahren über die hohen Wolken und gleich sein dem Allerhöchsten.’ Ja, hinunter zu den Toten fuhrst du, zur tiefsten Grube!“ Strongs Konkordanz stellt fest, dass „gleich sein“ synonym ist mit „ein Abbild sein“. Im Kommentar von Matthew Poole heißt es, dass Satan nach uneingeschränkter Macht und universeller Herrschaft über die ganze Erde strebte, wie nur Gott sie hat. Manche meinen, dass Satan in Wirklichkeit Gott SEIN wollte, um ihn als Herrscher über das Universum abzulösen.

Das Begehren war im Laufe der Geschichte das Motiv für viele Kriege – das Begehren nach Land, Reichtum, Macht und Kontrolle. Jakobus erklärt in Jakobus 4,1-3 die Beweggründe für die meisten Kämpfe und Kriege: „Woher ⟨kommen⟩ Kriege und woher Streitigkeiten unter euch? Nicht daher: aus euren Lüsten, die in euren Gliedern streiten? Ihr begehrt und habt nichts; ihr tötet und neidet und könnt nichts erlangen; ihr streitet und führt Krieg. Ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet“ (Schlachterbibel). Wiederum begehren Einzelne und Nationen, was ihnen nicht gehört, und sind bereit, zu kämpfen und zu morden, um es zu erhalten. Dies hat im Laufe der Geschichte zu viel Leid geführt.

Denken Sie nur an König David, einen Mann, den Gott in den höchsten Tönen lobte, indem er ihn mit einen Mann nach seinem Herzen beschrieb, der in allem Gottes Willen tun wird“ (Apostelgeschichte 13,22; vgl. Sie die Zürcher Bibel 2007). Doch trotz dieses hohen Lobes brach David in Gedanken das Gebot „Du sollst nicht begehren“. Dies führte dazu, dass er mit Batseba Ehebruch beging (2.Samuel 11,2-4) und schließlich seinen treuen Diener Uria, den Hetiter, ermorden ließ (2.Samuel 12,9).

Der Apostel Paulus schrieb einige Dinge auf, die wir uns vor Augen halten sollten, um uns dabei zu helfen, nicht zu begehren. Sie beziehen sich zwar insbesondere auf die Mitglieder der Kirche, können aber auch auf andere übertragen werden. Er sagt in Philipper 2,3-4: „Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst, und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient.“ Wenn wir die Interessen der anderen im Blick haben, dann werden wir ihnen gewiss nichts wegnehmen wollen. Wir werden nicht begehren, was sie besitzen.

Er schreibt auch in 1.Korinther 12,26: „Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit.“ Wenn wir uns an dem Segen erfreuen, den ein anderer erhalten hat, und wenn wir seine Freude mit ihm teilen, dann werden wir nicht begehren, was er hat, sondern uns vielmehr daran erfreuen, dass er es hat.

Es gab ein bemerkenswertes Beispiel für eine Person, die weder Macht noch Stellung begehrte. Diese Person war Johannes der Täufer. Wir lesen seine Worte in Johannes 3,28-30: „Ihr selbst könnt doch bezeugen, dass ich gesagt habe: ‚Ich bin nicht der Christus, der von Gott versprochene Retter [oder Heiland]. Ich soll ihn nur ankündigen, mehr nicht.‘ Die Braut gehört schließlich zum Bräutigam! Der Freund des Bräutigams freut sich mit ihm, auch wenn er nur danebensteht. So geht es mir jetzt. Meine Freude könnte nicht größer sein. Christus soll immer wichtiger werden, und ich will immer mehr in den Hintergrund treten“ (Hoffnung für Alle). Können wir unter den richtigen Umständen sagen, dass jemand anderes wichtiger ist, während wir in den Hintergrund treten müssen? Aber Johannes freute sich gerade in dieser Situation, in der seine eigene Bedeutung geringer werden würde.

Es ist zwar nichts Falsches daran, das zu begehren, was wir rechtmäßig erhalten können, aber wir sollten an das Beispiel des Apostels Paulus denken, der sagte: „Ich sage das nicht, weil ich unbedingt etwas gebraucht hätte; denn ich habe gelernt, mit dem zufrieden zu sein, was ich habe“ (Philipper 4,11; Neue evangelistische Übersetzung 2020). Beachten wir ebenfalls seine Aussage, dass „die Gottesfurcht eine große Bereicherung [ist], wenn sie mit Genügsamkeit verbunden wird“ (1.Timotheus 6,6; Schlachterbibel). Wenn wir ein Leben der Zufriedenheit führen, dann sollte niemals der Wunsch aufkommen, das zu begehren, was andere haben. Denken Sie immer daran, dass Begierde zu einer Vielzahl von Sünden führen kann.

Verfasser: Paul Niehoff

Ursprüngliche Übersetzung: Daniel Blasinger