Wertvolle Lektionen von Kain und Abel

Drucken

Die in 1.Mose 4,1-16 niedergeschriebene Erzählung von Kain und Abel ist vielen Menschen bestens bekannt. Die Mehrheit—ganz gleich ob religiös oder nicht—würde bestätigen, sie bei der einen oder anderen Gelegenheit schon einmal gelesen oder davon gehört zu haben. Aber die tiefe und für uns heute geltende Bedeutung und Symbolik ist den meisten wahrscheinlich nicht bewusst. 

Betrachten wir zunächst die unterschiedliche Art der Werke, die Kain und Abel verrichteten.  Abels Arbeit war von großer symbolischer Bedeutung, denn er hütete Schafe. Nun wissen wir, dass auch David ein Hirte war und dass Jesus selbst oftmals als der Hirte seiner Schafe bezeichnet wurde. Dies verdeutlicht, wie sich Jesus um die Kirche und sein Volk kümmert, sie umsorgt, über sie wacht, sie liebt und sie ernährt. Heute gebraucht er für diese Aufgabe in Gottes Kirche auch seine wahren Prediger, die den Geschwistern Mitgefühl und Liebe erweisen, eine Gesinnung des Gebens an den Tag legen und sogar die Bereitschaft zeigen, ihr Leben für die Herde zu geben, wenn es die Umstände erfordern.  

Kains Werk war vollkommen anderer Natur. Es war sehr arbeitsintensiv, da er Obst und Gemüse anbaute.  Sein Typus wurde von Gott bereits in 1.Mose 3,17-19 vorhergesagt, wo wir von der mühsamen Arbeit zur Nahrungsbeschaffung lesen.

In 1.Mose 4,3 lesen wir vom „Verlauf geraumer Zeit“ (Menge Bibel), was das Ende des Ackerbaus und den Beginn des Herbstes bedeuten könnte. In Gill’s Exposition of the Entire Bible heißt es, dies könne sich auf die Zeit „nach der Ernte beziehen, nachdem die Früchte der Erde eingebracht worden waren, und damit auf eine angemessene Zeit, dem Herrn ein Opfer zu bringen, zum Dank für die Fülle der guten Dinge, mit denen sie bedacht worden waren.“ Ihre Opfergaben wären dann symbolisch für das Laubhüttenfest; einer der Gelegenheiten, bei der auch wir Gott Opfergaben darbringen. Das zeigt, dass die beiden Brüder zu einem bestimmten Zeitpunkt im Herbst des Jahres vor Gott erschienen sein könnten, was bedeuten könnte, dass Gott ihnen Anweisungen gegeben hatte, wann sie die Opfergaben bringen sollten.

Als es nun darum ging, was geopfert wurde, lesen wir in den Versen 3 bis 5, dass Gott Abels Opfer gnädig ansah, nicht aber das Opfer von Kain, woraufhin dieser ergrimmte und seinen Blick senkte.  Er hatte eine falsche Gesinnung, da sein Opfer nicht von Herzen kam, und in Vers 7 macht Gott deutlich, was Kain tun sollte: „Ist es nicht so: Wenn du Gutes tust, so darfst du dein Haupt erheben? Wenn du aber nicht Gutes tust, so lauert die Sünde vor der Tür…“ (Schlachterbibel).

Im Kommentar von Jamieson, Fausset and Brown kann man folgendes lesen:

„… die Sünde lauert vor der Tür – Sünde, d.h. ein Sündopfer – eine gebräuchliche Bedeutung des Wortes in der Heiligen Schrift (wie in Hosea 4,8; 2.Korinther 5,21; Hebräer 9,28). Die göttliche Zurechtweisung an Kain war folgende: ‚Warum bist du zornig, als ob du ungerecht behandelt würdest? Wenn du Gutes getan hättest (d.h. wenn du unschuldig und ohne Sünde wärst), dann wäre ein Dankopfer deinerseits als Zeichen deiner Abhängigkeit als Geschöpf angenommen worden. Da du aber nicht Gutes tust (d.h., ein Sünder bist), ist ein Sündopfer notwendig, mit dem du Anerkennung finden und die Ehre deines Erstgeburtsrechts behalten würdest‘. Diese Formulierung lässt darauf schließen, dass zuvor Anweisungen über die Art und Weise der Anbetung gegeben worden waren; Abel opferte im Glauben (Hebräer 11,4).“

Mit anderen Worten könnte Vers 7 so verstanden werden, dass er den folgenden Gedanken vermittelt: 

„Wenn du Gutes tust, wirst du dann nicht angenommen werden [in der Zukunft, wenn du das richtige Opfer bringst]? Und wenn du nicht Gutes tust, dann lauert die Sünde [ein Sündopfer] vor der Tür.“

Gott war hier wahrhaft barmherzig mit Kain; er gab ihm eine weitere Chance und zeigte, dass er Erbarmen hatte. Wenn Kain bereuen und schließlich ein angemessenes Opfer bringen würde („wenn du Gutes tust“), dann würde er angenommen werden; aber wenn er es nicht tun würde, dann „lauert die Sünde [ein Sündopfer] vor der Tür.“ Am Ende von Vers 7 wird ausgesagt, dass Kain durch ein von Gott bereitetes Opfer die Kontrolle über die Sünde – seine Fehler – erlangen müsse, was eine noble Geste der Gnade Gottes war. Doch trotz dieses Aktes der Barmherzigkeit nahm Kain Gottes Gnade, ihm ein Sündopfer zur Verfügung zu stellen, um die Sünde zu besiegen, keineswegs an. Vielmehr zeigte er eine schreckliche Reaktion, die in keiner Weise dem Gebot Gottes entsprach. Er opferte seinen eigenen Bruder, wie wir in den Versen 8-9 lesen können.  Und die Sünde des Mordes setzte sich mit der Lüge fort.

Der Kommentar von Jamieson, Fausset and Brown enthält diese zusätzlichen Bemerkungen:

„‚Ist es nicht so: Wenn du Gutes tust, so darfst du dein Haupt erheben?‘ – eine bessere Übersetzung wäre: ‚Solltest du nicht die Vortrefflichkeit haben?‘, was der wahre Sinn der Worte ist, die sich auf die hohen Privilegien und die Autorität beziehen, die dem Erstgeborenen in den Zeiten des Patriarchats zustanden… Kain war der Überzeugung, dass ihm diese Ehre durch die Ablehnung seines Opfers entzogen und seinem jüngeren Bruder zugesprochen worden war – daher loderte in ihm die verborgene Flamme der Eifersucht, die sich schließlich in Hass und Rache entlud.“

Kain hatte seine Chance erhalten, und er hatte sie vertan, und deshalb sollte er nun aus dem Land vertrieben werden (Verse 10-12).  Er sollte fortan flüchtig auf Erden sein—jemand ohne festen Wohnsitz.  Doch Kain empfand diese Strafe als zu schwer—als mehr, als dass er sie tragen könnte (Verse 13-14).  Kain sah seine Strafe darin, dass er aus dem Land, das er früher bewirtschaftet hatte, „vertrieben“ und sich vor dem „Angesicht“ Gottes verbergen musste. Kain zeigte jedoch keinerlei Reue für seine Tat, den Mord an seinem Bruder, und er bereute diese Sünde nicht. Gott hätte ihn auf der Stelle töten können, aber er entschied sich, sein Leben zu schonen und verhinderte sogar, dass andere ihn töten würden (Vers 15), um ihm vielleicht doch noch eine Chance zu geben, über seine Tat nachzusinnen und sein Herz zu ändern, aber das schien nicht der Fall zu sein.

Wir haben hier gesehen, dass ein Bruder gerechter und auch großzügiger war als der andere, vor allem im Herzen, wohingegen der andere Bruder diese Einstellung keineswegs an den Tag legte. Weil Gott das Opfer Abels annahm und Kains Opfer verwarf, schlich sich Eifersucht in Kains Herz und übermannte ihn, so dass er einen Mord beging—den ersten in der Bibel erwähnten Mord (1.Johannes 3,12). Als Folge entwickelte sich sein Leben als sehr schwierig, und sein Segen wurde ihm genommen. Gerecht zu leben kann sehr wohl Opfer beinhalten. Weil Abel bereit war, Gott zu gefallen und das zu tun, was Gott wollte, anstatt den Menschen zu gefallen, wurde sein Leben hingegeben, ebenso wie das Leben Jesu Christi als Opfer für uns hingegeben wurde, damit wir gerettet werden können. 

Gott hätte zu Abels Gunsten eingreifen können, aber er ließ es geschehen, weil er ohnehin etwas Besseres für ihn geplant hatte. Das Leben ist nur vorübergehend. Abel war in Gottes Augen gerecht, und er wird in Gottes Reich sein. Dies war eine wertvolle Lektion für die Menschheit. Die menschliche Natur ist fleischlich und feindlich gegen Gott gesinnt. Erinnern wir uns, was mit Adam und Eva geschah, und wie leicht die Sünde die Oberhand gewinnen kann.

In der heutigen Welt sollten wir die Gesinnung haben, die Abel hatte, indem er Gott mehr gefallen hat als den Menschen. Wir in der Kirche Gottes werden von anderen wegen unserer Überzeugungen gehasst werden, und die Prophezeiungen der Endzeit sagen uns, dass die Kirche um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden wird. Diejenigen, die Gott hassen und seinen Gesetzen nicht gehorchen, werden ihren Lohn bekommen, der keineswegs angenehm sein wird. Diejenigen, die Gott lieben und seinen Gesetzen gehorchen, werden ebenfalls ihren Lohn erhalten—Segnungen, die über alles hinausgehen, was der menschliche Verstand begreifen könnte.

Verfasser: Michael Link

Ursprüngliche Übersetzung: Daniel Blasinger