Gibt es einen Widerspruch bei den Aussagen in Apostelgeschichte 9,7 und Apostelgeschichte 22,9?

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Manchmal stößt man bei verschiedenen „parallelen“ Bibelstellen auf den ersten Blick auf einen scheinbaren Widerspruch. Einige sehen einen solchen Widerspruch in den oben angeführten Aussagen in Apostelgeschichte 9,7 und 22,9.

Betrachten wir zunächst den Zusammenhang in Apostelgeschichte 9.

Saulus, der erst später Paulus genannt wird, verfolgte wahre Christen und suchte ihren Tod (Galater 1,13-14). Saulus war in fleischlich gesinnter Hinsicht ein Pharisäer und hing den Lehren der Pharisäer an (Apostelgeschichte 23,6). Er war zu jener Zeit sehr darauf bedacht, echte Nachfolger Jesu Christi zu töten, da sie aus pharisäischer Sicht eine andere Lehre hatten, die ihrer Lehre entgegenstand. Es war die Religion des „neuen Weges“, des Weges Jesu Christi, der immer wieder widerrechtlich als Gotteslästerer angeklagt wurde, weil Christus auch behauptete, der Sohn Gottes zu sein. Doch Christus war immer schon, und ist auch heute noch, der Sohn Gottes!

Saulus ging wütend in seinem Zorn zu dem Hohenpriester und bat um Briefe, die er dann den Synagogen in Damaskus überbringen wollte, in denen bekräftigt würde, dass er die Befugnis hätte, die Jünger des neuen Weges, ob Frauen oder Männer, gefesselt nach Jerusalem zu deportieren, um sie dort vor Gericht des Todes anklagen zu können (Apostelgeschichte 9,1-2).

Lesen wir nun Apostelgeschichte 9,3-6:

„Als er aber auf dem Wege war und in die Nähe von Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Er aber sprach: Herr, wer bist du? Der sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. [Hier sollte ergänzt werden: „Es wird dir schwer werden, gegen den Stachel auszuschlagen.“ Vgl. neue Lutherbibel 2009]. Steh auf und geh in die Stadt; da wird man dir sagen, was du tun sollst.“

Vers 7 besagt sodann: „Die Männer aber, die seine Gefährten waren, standen sprachlos da; denn sie hörten zwar die Stimme, aber sahen niemanden.“

Wenn man nun diese Stelle aus Vers 7 mit der Parallelstelle in Apostelgeschichte 22,9 vergleicht, erscheint es so, dass sich zwei verschiedene Aussagen gegenüberstehen, wenn Paulus in seinem späteren Bericht über die Ereignisse sagt:

„Die aber mit mir waren, sahen zwar das Licht, aber die Stimme dessen, der mit mir redete, hörten sie nicht.“

Wie ist dieser scheinbare Widerspruch zu erklären, da sich die Bibel ja in Wirklichkeit nicht widerspricht? Haben nun die Begleiter von Saulus auf dem Weg nach Damaskus, als Jesus Christus erschien, die Stimme gehört, aber nichts gesehen, oder das Licht gesehen und die Stimme nicht gehört?

Gehen wir zunächst dem ersten Teil der Frage nach: „Hörten die Begleiter von Paulus die Stimme des Herrn, oder hörten sie sie nicht?“

In beiden Kapiteln steht im Griechischen das Wort „phóné“, was in der Tat „Stimme“ bedeutet. Doch in Apostelgeschichte 22,9 wird hinzugefügt: „… aber die Stimme dessen, der mit mir redete, hörten sie nicht.“

Es scheint sich hier also um eine besondere Art des Hörens oder des Verstehens zu handeln. Die Begleiter des Saulus hörten also eine Stimme, konnten aber anscheinend nicht verstehen, was sie sagte. Im Griechischen steht für das Wort „hören“ „akouo.“ Es kann „hören“ oder auch „verstehen“ bedeuten. Im letzteren Sinn wird es in 1.Korinther 14,2 gebraucht: „Denn wer in Zungen (einer anderen Sprache) redet, der redet nicht für Menschen, sondern für Gott; denn niemand versteht ihn.“

Eine vergleichbare Aussage befindet sich in Johannes 8,43: „Warum versteht ihr denn meine Sprache nicht? Weil ihr mein Wort nicht hören könnt!“

Die Neue Genfer Übersetzung schreibt: „Aber ich kann euch sagen, warum mein Reden für euch so unverständlich ist und wie es kommt, dass ihr gar nicht fähig seid, auf mein Wort zu hören…“ Die Gute Nachricht Bibel gibt die Stelle wie folgt wieder „Warum versteht ihr denn nicht, was ich sage? Weil ihr unfähig seid, mein Wort aufzunehmen.“ Christus sagt damit aus, dass, auch wenn ihr das Wort hören könntet, euch der Vater nicht euren Verstand öffnet, um die Worte, die ich gesprochen habe, zu verstehen (vgl. auch 5.Mose 29,3).

Vergleichen wir auch Christi Aussage in Johannes 12, Verse 28-29 in der Gute Nachricht Bibel: „‚Vater, bring du deinen Namen jetzt zu Ehren!‘ Da sagte eine Stimme vom Himmel: ‚Das habe ich bisher getan, ich werde es auch jetzt tun.‘ Die Menge, die dort stand, hörte die Stimme, und einige sagten: ‚Es hat gedonnert!‘ Andere meinten: ‚Ein Engel hat mit ihm gesprochen.‘“

Also auch hier geht es darum, dass einige eine Stimme hörten, aber sie verstanden nicht das Gesprochene. Andere wiederum hörten nur ein Donnern wie bei einem Gewitter.

Deutlicher werden die beiden Aussagen über Christi Erscheinen in der Apostelgeschichte, wenn wir die Neue Genfer Übersetzung heranziehen:

Apostelgeschichte 9,7: „Die Männer, die mit Saulus reisten, standen sprachlos ´vor Bestürzung` dabei; sie hörten zwar die Stimme….“

Apostelgeschichte 22,9: „Meine Begleiter… verstanden aber nicht, was die Stimme sagte, die mit mir sprach.“

Die Begleiter des Saulus hörten also wohl die Stimme, von der Lukas in Apostelgeschichte 9,7 schrieb, konnten aber das Gesprochene laut Apostelgeschichte 22,9 nicht verstehen, da sie es vielleicht nur als ein Donnern wahrnahmen.

Es ist also keine Frage, ob die Begleiter des Saulus die Stimme hörten oder nicht, sondern es geht darum,  was das Gesprochene war, das sie hörten, aber nicht verstanden. Paulus hörte und verstand Christi Worte; seine Begleiter hörten zwar eine Stimme, aber sie verstanden nicht, was gesagt wurde.

Die Schlachter Bibel kommentiert hierzu: „“… die Stimme hörten sie nicht. Das [Apostelgeschichte 22,9] widerspricht nicht [Apostelgeschichte] 9,7. Da Jesus nur zu Paulus redetet, verstand nur er die Aussagen des Herrn. Seine Begleiter hörten das Geräusch, verstanden die Worte aber nicht.“

Kommen wir zum nächsten Teil der Frage: „Wen oder was sahen die Begleiter, als Christus dem Saulus erschien?“

Die Neue Genfer Übersetzung gibt Apostelgeschichte 9,7 wie folgt wieder: „Die Männer, die mit Saulus reisten, standen sprachlos ´vor Bestürzung` dabei; sie hörten zwar die Stimme, sahen aber niemand.“

Betrachten wir auch, wie Apostelgeschichte 22,9 in der Neuen Genfer Übersetzung wiedergegeben wird: „Meine Begleiter sahen zwar das Licht, verstanden aber nicht, was die Stimme sagte, die mit mir sprach.“

Zum einen sahen sie „niemanden“ (vgl. erneut Apostelgeschichte 9,7), also keine Gestalt oder Person, jedoch sahen sie ein Licht (vgl. Apostelgeschichte 22,9).

Die Schlachter Bibel kommentiert: „Paulus‘ Begleiter sahen das Licht, doch nur er sah den Herrn Jesus Christus.“ Vgl. auch den weiteren Bericht des Paulus in Apostelgeschichte 26,12-14.

Christus war es sehr wichtig, dass die Begleiter etwas hörten und dass sie ein Licht sahen, das Saulus umgab, so dass Paulus später nicht als ein Lügner bezichtigt werden konnte, sondern als ein rechtschaffener Apostel und Gottes treuer Diener, der die Wahrheit sprach und dafür auch echte Zeugen benennen konnte.

Wie wir in diesem Q&A gezeigt haben, widerspricht sich die Bibel nicht, aber es ist wichtig, scheinbare Widersprüche auf richtige Weise aufzuklären (Jesaja 28,10; Prediger 12,11; 2.Petrus 1,20-21).

Verfasser: Thilo Hanstein