Sind Heuschrecken und Grillen reine Tiere, die verzehrt werden können?

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„Die Bibel verbietet eindeutig den Verzehr von Tierfleisch, das in Passagen des Alten und des Neuen Testaments als ‚unrein‘ beschrieben wird (zum Beispiel in 3.Mose 11,1-47; 5.Mose 14,3-20 und Apostelgeschichte 10,1-21, 28)…

„Gemäß der biblischen Bezeichnung werden bestimmte Tiere als ‚rein‘ betrachtet, und ihr Fleisch ist von daher für den menschlichen Verzehr geeignet (vergleichen Sie zum Beispiel 3.Mose 11,3: ‚Alles was [rein ist] unter den Tieren, das dürft ihr essen.‘)…

„Unter den Insekten sind es nur bestimmte Arten von Heuschrecken, die verzehrt werden dürfen. Jedoch sind die biblischen Bezeichnungen dieser Arten heute möglicherweise nicht mehr eindeutig identifizierbar (3.Mose 11,20-23). Der Soncino-Kommentar stellt fest, dass wir nicht in der Lage sind, die Arten der reinen Heuschrecken zu identifizieren. [Die Tanakh Bibel schreibt auch in einer Anmerkung, dass die Insekten in Vers 21, die Heuschrecken beschreiben, nicht mit Sicherheit identifiziert werden können.] Einige behaupten, dass die heutigen ‚Heuschrecken‘, so wie sie von der modernen Wissenschaft definiert sind, und manche Arten von Grillen für den menschlichen Verzehr geeignet sind. Alle anderen Insekten und ‚Kriechtiere‘, einschließlich der Frösche, Echsen, Salamander, Schnecken (einschließlich der sogenannten ‚essbaren Schnecken‘ wie Weinbergschnecken), Schlangen, Kröten und Würmer, dürfen keineswegs verzehrt werden.“

Wir haben weiterhin festgestellt, dass man mit bestimmten Bezeichnungen, Übersetzungen und Arten des jüdischen Verständnisses in Bezug auf einige Tiere vorsichtig sein muss:

„Vorsicht geboten ist bei einigen jüdischen Publikationen, die den Schwertfisch als einen reinen, für den menschlichen Verzehr geeigneten Fisch aufführen. Grund für diese Einschätzung ist, dass der junge Schwertfisch zwar Schuppen besitzt, diese jedoch mit zunehmendem Alter verliert. Nach dem Soncino-Kommentar sind Fische zum Verzehr geeignet, die Flossen und Schuppen besaßen, als sie im Wasser waren, diese jedoch abwerfen, wenn sie gefangen und an Land gebracht werden. Die meisten verstehen den Schwertfisch jedoch als ein unreines Tier, das nicht zum Verzehr bestimmt ist…

„Uneinigkeit existiert hinsichtlich des Schwans. Wenngleich die revidierte Lutherbibel von 1984 den Schwan in 3.Mose 11,17 als unrein bezeichnet, übersetzt die Jüdische Verlagsgesellschaft das hebräische Wort für ‚Schwan‘ mit ‚Ohreule‘, während die jüdische Tanach-Übersetzung ‚Schleiereule‘ schreibt…

‚Vor nicht allzu langer Zeit zählten einige Juden den Tapir noch zu den reinen Tieren, bis entdeckt wurde, dass er zur Familie der Schweine gehört. Wiederum ist Vorsicht geboten, wenn von ungewöhnlichen oder ‚exotischen‘ Tieren gesprochen wird.

‚Gott betrachtet den Verzehr von unreinen Tieren als eine ERNSTHAFTE Verletzung seiner zeitlosen Gesundheitsgesetze [Wenn wir Gottes Gesundheitsgesetze in geistlicher Hinsicht auf moderne Zeiten anwenden, so fallen das Rauchen von Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen, der Konsum von Kau- und Schnupftabak sowie die Einnahme illegaler Drogen ebenfalls unter die verbotenen Aktivitäten, die die Gesundheit angreifen und zerstören].“

Was die Heuschrecke und die Grille angeht, so vermitteln die meisten englischen Übersetzungen von 3.Mose 11,22 den Eindruck, dass der Verzehr dieser Insekten eindeutig erlaubt ist. Die New King James Bible beispielsweise gibt 3.Mose 11,20-23 wie folgt wieder:

„Alle fliegenden Insekten, die auf allen Vieren kriechen, sollen euch ein Gräuel sein. Diese aber dürft ihr essen von den fliegenden Insekten, die auf allen Vieren kriechen, nämlich solche, die über ihren Füßen gegliederte Beine haben, mit denen sie auf der Erde hüpfen können. Diese dürft ihr essen: die Heuschrecke nach ihrer Art, die vertilgende Heuschrecke nach ihrer Art, die Grille nach ihrer Art und den Grashüpfer nach seiner Art. Aber alle anderen fliegenden Insekten, die vier Füße haben, sollen euch ein Gräuel sein.“

Die Authorized Version übersetzt allerdings „Käfer“ (Beetle) anstelle von „Grille“, was eindeutig ein Übersetzungsfehler ist. Gill‘s Exposition of the Entire Bible erklärt insofern:

„… der Käfer nach seiner Art; das ist eine andere Art von Heuschrecke, die Hargol genannt wird, und sollte keineswegs als Käfer bezeichnet werden, denn keine Art von Käfern ist essbar. Auch verfügen sie nicht über Beine zum Hüpfen, und fallen daher nicht unter die allgemeine Beschreibung jener fliegenden, kriechenden Lebewesen, die zum Verzehr geeignet sind.“

Einige englische Übersetzungen bieten eine andere Übertragung, indem sie die „Grille“ in ihrer Aufzählung der essbaren Arten aussparen und stattdessen sagen: „… jede Art von großen Heuschrecken, jede Art von langköpfigen Heuschrecken, jede Art von grünen Heuschrecken und jede Art von Wüstenheuschrecken“ (Revised English Bible). Die New Jerusalem Bible versucht, näher am hebräischen Original zu bleiben, indem sie die Verse 22-23 wie folgt wiedergibt: „Diese sind es, die ihr essen dürft: die verschiedenen Arten von Wanderheuschrecken, die verschiedenen Arten von Solam-Heuschrecken, Hargol-Heuschrecken und Hagab-Heuschrecken. Aber alle anderen geflügelten Insekten auf vier Füßen sollt ihr als gräulich zum Verzehr betrachten.“

Die Elberfelder Bibel ist noch genauer, indem sie für die erste Heuschreckenart nur den hebräischen Namen angibt: „Diese dürft ihr von ihnen essen: den Arbe nach seiner Art und den Solam nach seiner Art und den Hargol nach seiner Art und den Hagab nach seiner Art.“

In der neuen Lutherbibel 2009 lesen wir: „Von diesen dürft ihr die Heuschrecken essen, als da sind: den Arbeh mit seiner Art, den Solam mit seiner Art, den Hargol mit seiner Art und den Hagab mit seiner Art.“ Ganz ähnlich lesen sich die Wiedergaben der Lutherbibeln von 1891 und von 1984, sowie der Menge Bibel und auch der Schachterbibel [alle halten sich an das hebräische Original].

Die revidierte Lutherbibel 2017 und die Zürcher Bibel bringen die Passage ähnlich wie die Elberfelder Bibel, wobei die Zürcher Bibel in einer Anmerkung darauf hinweist, dass es sich um die Namen vier verschiedener Arten von Heuschrecken handelt, die heute nicht mehr identifiziert oder näher bestimmt werden können. Die moderne Interpretation Hoffnung für Alle enthält die gleiche Anmerkung.

Anzumerken ist, dass – unserer Kenntnis nach – so gut wie keine der deutschen Übersetzungen die „Grille“ in die Liste der vier Heuschreckenarten, die verzehrt werden können, aufnimmt oder gesondert erwähnt. Eine Ausnahme stellt lediglich die Buber-Rosenzweig-Übersetzung 1929 dar, die schreibt: „Diese von ihnen dürft ihr essen: den Zugheuschreck nach seiner Artung, die Freßgrille nach ihrer Artung, den Grasrenner nach seiner Artung, das Sprengsel nach seiner Artung.“

Der Benson Commentary schreibt:

„…diese Heuschrecken von den anderen zu unterscheiden, gestaltet sich schwierig, wenn nicht unmöglich für uns. Sie waren jedoch von alters her in den östlichen Ländern bestens bekannt. Denn Heuschrecken, gleichwohl bei uns eine ungewöhnliche Speise, wurden von den Äthiopiern, den Lybiern, den Parthern und anderen östlichen Völkern, die an Judäa grenzten, verzehrt. Und da es sicher ist, dass die östlichen Heuschrecken wesentlich größer als die unseren waren, sind sie vermutlich von anderer Beschaffenheit und boten eine bessere Nahrung.“

Die Genfer Studienbibel stimmt dem zu und stellt fest: „Es handelte sich um bestimmte Arten von Heuschrecken, die heute nicht mehr eindeutig bekannt sind.“

Barnes Notes on the Bible fügt an:

„Angesichts der Ungewissheit bei der Identifizierung dieser vier Insekten wurde vorgeschlagen, dass einige der Namen zu Heuschrecken in einem unvollkommenen Entwicklungsstadium gehören könnten. Die Mehrzahl der modernen Versionen haben jedoch einen sichereren Weg gewählt als unsere [englischen] Übersetzer, indem sie die hebräischen Namen beibehalten haben.“

In dieser Hinsicht sind das jüdische Verständnis und ihre Überlieferungen, Interpretationen und Bestimmungen darüber, welche Heuschreckenarten verzehrt werden können, wenig hilfreich.

Chabad.org schrieb:

„Die Tora liefert uns eine Reihe von Merkmalen, um zu erkennen, welche Arten erlaubt sind. Die Mischna fasst die Merkmale zusammen: ‚… Von Heuschrecken: alle, die vier Beine, vier Flügel, Sprungbeine und Flügel haben, die den größten Teil des Körpers bedecken, sind koscher. Rabbi Yose sagt: [Zusätzlich zu den Merkmalen] muss ihr Name Chagav [Heuschrecke] lauten.

„Mit anderen Worten: Auch wenn sie die Merkmale aufweist, muss eine Überlieferung vorliegen, dass die Heuschrecke den Namen Chagav trägt. Wie uns der Talmud sagt, existieren 800 nicht koschere Arten von Grashüpfern und Heuschrecken, lediglich acht Arten sind koscher. Da wir größtenteils nicht mehr in der Lage sind, festzustellen, welche Heuschreckenarten koscher sind, verzichten wir auf den Verzehr jeglicher Heuschrecken…

‚Obwohl einigen Gemeinden eine Überlieferung hinsichtlich der Zulässigkeit bestimmter Heuschreckenarten haben, verzichten die meisten Gemeinden auf den Verzehr jeglicher Arten, da es an einer eindeutigen Überlieferung mangelt… Nach gängiger Meinung sollte man auf den Verzehr dieser Heuschrecken verzichten, es sei denn, die eigene Familie gehört zu einer Gemeinde, in der es eindeutig überliefert ist, dass diese Heuschrecken [gegessen werden können].“

Diese recht merkwürdig anmutende „Bestimmung“ wird von israelbible.com wie folgt erklärt (sieht man einmal von der Tatsache ab, dass die Bibel den Verzehr von lediglich vier und nicht von acht Heuschreckenarten gestattet):

„Da es schwierig ist, die koscheren Heuschreckenarten zu identifizieren, dürfen Juden nach rabbinischem Recht nur dann Heuschrecken verzehren, wenn sie [die Juden] einer Gemeinde entstammen, in der es eine starke Überlieferung darüber gibt, welche Heuschrecken koscher sind. Einige rabbinische Autoritäten vertreten die Ansicht, dass eine Person, die aus einer Gegend kommt, in der es keine Überlieferung zu einer bestimmten Tierart gibt, sich auf diejenigen [Personen] verlassen kann, die eine solche haben.“

Es versteht sich von selbst, dass solche Bestimmungen und Überlieferungen, die sich auf die in einer bestimmten Gemeinde lebenden Juden beschränken, für Christen ohne großen Wert sind.

Da wir also nicht wissen können, welche vier Arten von Heuschrecken unter den „800 nicht koscheren Arten von Grashüpfern und Heuschrecken“ für den Verzehr geeignet sind, wäre es wohl am sichersten, gänzlich auf den Verzehr von Heuschrecken und Grillen zu vezichten.

Verfasser: Norbert Link

Ursprüngliche Übersetzung: Daniel Blasinger