Das schnelle Verurteilen

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Wir machen es uns nur zu leicht, mit dem Finger auf einen anderen Menschen zu zeigen und zu sagen: „Na, sieh mal, was er oder sie tut.“ Aber wenn wir versuchen, einen anderen Menschen zu verurteilen, nehmen wir uns ein Vorrecht, das Gott gehört.

Als menschliche Wesen können wir nur aus dem, was wir sehen oder hören, Schlüsse ziehen.

Wir lesen in Johannes 8,3-5 (in der revidierten Lutherbibel 2017, wie auch im folgenden): „Da brachten die Schriftgelehrten und die Pharisäer eine Frau, beim Ehebruch ergriffen, und stellten sie in die Mitte und sprachen zu ihm: Meister, diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden. Mose hat uns im Gesetz geboten, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du?“

Doch Jesus Christus antwortete nicht sofort auf diese Frage, wie uns Vers 6 zeigt: „Das sagten sie aber, um ihn zu versuchen, auf dass sie etwas hätten, ihn zu verklagen. Aber Jesus bückte sich nieder und schrieb mit dem Finger auf die Erde.”

Wir wissen nicht, was er schrieb, doch es gab kaum Zweifel an ihrer Schuld; sie war bei der Sünde ertappt worden. Allerdings brachten sie nicht den schuldigen Mann vor Christus, was nach dem Gesetz erforderlich war. Das Ganze war ein Versuch, Christus aufgrund seines Urteils anklagen zu können. Jedoch antwortete Jesus ihnen nicht.

Vers 7 sagt uns: „Als sie ihn nun beharrlich so fragten, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“ Sodann lesen wir in Vers 8 „Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde.“

Nach einigen Minuten blickte Jesus auf und sah nur noch die Frau. Verse 10-11 fahren fort: „Da richtete Jesus sich auf und sprach zu ihr: Wo sind sie, Frau? Hat dich niemand verdammt? Sie aber sprach: Niemand, Herr. Jesus aber sprach: So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und sündige hinfort nicht mehr.“

Christus macht hier deutlich, dass er damals nicht gekommen war, Menschen zu verdammen, sondern zu retten. Wir sollen seinem Beispiel folgen. Als menschliche Wesen können wir nur aus dem, was wir sehen oder hören, Schlussfolgerungen ziehen. Doch Christus sagte uns, wir sollten nicht nach physischen Faktoren urteilen. Johannes 7,24 gibt seine Worte wieder: „Richtet nicht nach dem, was vor Augen ist, sondern richtet gerecht.“

Gott sagt uns, dass wir, um zu richten, zunächst einmal selbst gerecht sein müssen. Das ist die Botschaft, die Christus denen gab, die die Ehebrecherin anklagten.

Ein gerechtes Urteil erfordert, tief in das Herz eines Menschen zu blicken, um seine innersten Beweggründe zu erkennen. Diese Einsicht zu erlangen, übersteigt die Macht des Menschen, ganz gleich, für wie rechtschaffen wir uns halten.

Jesus sagte, dass es für uns leicht ist, in anderen genau die Fehler zu sehen, an denen wir selbst am ehesten schuldig sind. Wir lesen in Matthäus 7,3-5: „Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge? Oder wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen! – und siehe, ein Balken ist in deinem Auge? Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach kannst du sehen und den Splitter aus deines Bruders Auge ziehen.“

Wenn wir versucht sind, einen Mitmenschen zu kritisieren, ist es gut, unser eigenes Handeln zu prüfen und zu sehen, ob wir nicht vielleicht auf demselben Weg sind. Paulus warnt uns in Römer 2,1-3: „Darum, o Mensch, kannst du dich nicht entschuldigen, wer du auch bist, der du richtest. Denn worin du den andern richtest, verdammst du dich selbst, weil du ebendasselbe tust, was du richtest. Wir wissen aber, dass Gottes Urteil zu Recht über die ergeht, die solches tun. Denkst du aber, o Mensch, der du die richtest, die solches tun, und tust auch dasselbe, dass du dem Urteil Gottes entrinnen wirst?“

Versuchen wir einmal, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, und schauen dann auf unsere Hand: Es werden drei Finger sein, die auf uns zeigen.

Jakobus 4,11-12 ermahnt uns: „Verleumdet einander nicht. Wer seinen Bruder verleumdet oder seinen Bruder verurteilt, der verleumdet und verurteilt das Gesetz. Verurteilst du aber das Gesetz, so bist du nicht ein Täter des Gesetzes, sondern ein Richter. Einer ist der Gesetzgeber und Richter, der selig machen und verdammen kann. Wer aber bist du, dass du den Nächsten verurteilst?“

Wir wissen, dass Gott sich entschieden hatte, den „Pfahl im Fleisch“ des Paulus nicht zu heilen. Die Menschen zu den Zeiten des Paulus mögen ihn als glaubensschwach oder als sündigen Menschen beurteilt haben. Doch heute wissen wir, dass es zur Ehre Gottes war (vgl. 2.Korinther 12,7-9). Jeder, der Paulus verurteilte, lag falsch.

Wenden wir heute das gleiche Prinzip an. Wenn wir versucht sind, andere Menschen zu verurteilen, denken wir daran, dass wir keine Ahnung haben, was Gott mit dieser Person vorhat.

Oft kennen wir nicht einmal alle Umstände, die zusammenwirken, um eine Person zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen. Und wir haben keine Vorstellung von dem gewaltigen Kampf, den jemand vielleicht führt.

Christus muss in der ehebrecherischen Frau, die vor ihm stand, etwas gesehen haben, was die Ankläger nicht wahrnehmen konnten oder wollten. Obwohl sie schuldig war, konnte Jesus sehen, dass sie die Tat, die sie begangen hatte, verabscheute. Er konnte erkennen, dass sie Reue zeigte, und er vergab ihr.

In Jesaja 11,3-4, lesen wir über Christus nach seiner Wiederkunft: „…Er wird nicht richten nach dem, was seine Augen sehen, noch Urteil sprechen nach dem, was seine Ohren hören, sondern wird mit Gerechtigkeit richten die Armen und rechtes Urteil sprechen den Elenden im Lande…“

Dann werden wir unter Christus herrschen und regieren, und dann werden wir vollkommen gerecht richten können.

Verfasser: Christoph Sperzel